Hier erfahren sie Wissenswertes über die
Entstehung und Entwicklung der Gemeinde
Neupanat im Zeitraum von 1787 - 2000. Interessantes:

Auswanderung nach Argentinien 1929
und Rückkehr nach Neupanat 1934



Von NORBERT LORENZ

nach einem Bericht von Eva Sellner geb.Mittermüller geb.1915

Im 27er war bei uns ein großes Schloßenwetter (Hagel) mit Sturm. Der Kukuruz war vernichtet, kurz über der Erde alles abgeschlagen, so daß es keinen Kukuruz gegeben hat. Frucht (Getreide) haben wir noch gehabt von weiter, wo es nicht so schlimm war, denn dort hat es noch gestanden. So haben wir 50 Meter Frucht gedroschen und haben deshalb Brot gehabt und Körner zum anbauen. Auf einem Streifen war aber alles vernichtet, da war gar nichts mehr. Nur Kukuruz hatten wir nicht und das ganze Vieh hängt am Kukuruz, auch die Schweine, auch die Rösser, auch das Geflügel, alles hängt am Kukuruz. Mein Vater hat sich Geld nehmen müssen zum Kukuruz kaufen. Und deshalb sind sie nach Amerika gegangen. Schon im 28er im Januar sind 39 Personen auf einmal von Neupanat ausgewandert.

Am 9. Dezember 1929 sind wir, mein Vater Peter Mittermüller (Koschers Pheder) meine Mutter, Eva geb. DIRB und 5 Kinder (Eva, Anna, Marianna, Juliana und Peter) von Neupanat weggegangen. Ich war damals 14 Jahre alt, die Älteste von den Geschwistern. Da war noch ein Mädel, Anna KONRAD, die war so alt wie meine Mutter und sie hat bei uns gearbeitet. Wie sie gehört hat, daß wir weggehen, wollte sie unbedingt auch mit aber sie hat kein Geld gehabt. So hat mein Vater ihre Reise auch noch bezahlt. Das Geld haben wir nie mehr zurückbekommen. Sie durfte aber als einzelne Frau nicht nach Argentinien einreisen. Deshalb ist sie in Uruguay abgestiegen und schon ein halbes Jahr später dort gestorben.

Der Reiseweg war lang und beschwerlich. Wir sind mit dem Zug von Arad nach Wien gefahren und haben dort übernachtet. Am nächsten Tag sind wir dann bis nach Paris gefahren, wo wir zu Nacht gegessen haben, bevor es weiter zum Hafen nach Cherbourg/Nordfrankreich ging. Dort mußten wir aber acht Tage bleiben, weil unser Schiff, mit dem wir hätten abfahren sollen, ein anderes untergehendes Schiff gerettet hatte. Von Cherbourg haben wir drei Tage bis Lissabon gebraucht. Von dort bis nach Buenos Aires/ Argentinien waren wir 24 Tage auf dem Wasser. Ich hab den Stuart oft gefragt, ob wir nicht mehr auf die Erde kommen. Auf dem Schiff waren etwa 2.500 Personen. Die meisten waren jüdische Auswanderer aus Polen.

Am 14. Januar 1930 sind wir endlich in Buenos Aires, der Hauptstadt von Argentinien angekommen. Ich war ja ganz begeistert von der Stadt, hab so etwas schönes noch gar nicht gesehen. Dort hat mein Vater gesagt: "Was machen wir jetzt?" Es war niemand dort, weil wir ja nicht mit dem eigentlichen Schiff gekommen sind. Dann sind wir aber ausgestiegen und mein Vater hat gesagt: "Wir geben unser ganzes Gepäck ins Magazin rein." Wir waren damals so dumm und haben nicht gewußt, daß am Hafen Häuser gebaut waren, wo Einwanderer bleiben konnten bis sie Wohnung und Arbeit gefunden haben. Dann hat mein Vater gesagt: "Komm, wir fahren mit der Straßenbahn, die werden uns schon sagen, wo wir aussteigen müssen. Wir zeigen die Adresse, die wir von SELLNER Johann haben." Der war zu Hause unser Nachbar und hat uns einmal geschrieben, so daß wir seine Adresse von dort wußten. Er ist bereits ein Jahr vorher ausgewandert. Auf einmal hab ich gehört, daß jemand meinen Vater ruft. Da hab ich gedacht, wenn der meinen Vater ruft, muß der uns doch kennen. Ich bin stehen geblieben während die anderen weiter gegangen sind. Und wie sie an der Haltestelle waren, sieht mein Vater, daß ich fehle. Dann hat er geguckt und ich hab gewunken. Ich bin bei den Männern, es waren zwei Brüder, stehen geblieben. Die hab ich ja von zu Hause gekannt, weil sie nur ein Jahr vorher weggegangen sind. Sie haben gesagt, sie wissen wo die wohnen.

Außerhalb der Stadt war ein Arm vom Meer reingegangen, der Rio geheißen hat. Da mußten wir über eine große Brücke fahren. Und als wir drüben waren, haben wir gesagt: "Jetzt führt ihr uns zu den Zigeunern." "Nein, das wird wieder schöner," haben die gesagt. Wir sind ausgestiegen und dann zu Fuß weitergegangen. Dort waren Leute von unserem Dorf, die auch im 28er weggegangen sind. Die haben gesagt: "Wir haben auch Platz und es ist warm, man kann sich überall hinlegen, man braucht nicht heizen." Dann sind wir dort geblieben.

Es war ja gut, daß wir außer unserem knapp 5-jährigen Bruder alle Mädels waren. Deshalb haben wir gleich Arbeit bekommen. Unser Vater war ja ein kranker Mann, als er vom Krieg heim gekommen ist. Die Mutter war auch nicht gesund. Dann bin ich arbeiten gegangen, meine andere Schwester Nanni und die Mariann. Die Mariann ist zu jemanden gegangen die Kinder betreuen und die Nanni und ich haben auch einen Platz gehabt. Unsere Mutter ist dann in die Fabrik gekommen, wo Putzlumpen gemacht wurden. Unser Vater hat Arbeit gekriegt, wo wir gearbeitet haben. Meine Mutter hat immer gesucht, wo ich mehr gezahlt bekomme. Deshalb hat sie mich von dort weggenommen und zu einem anderen Platz gebracht. Für meinen Vater haben wir auch wieder einen Arbeitsplatz gefunden, wo er dann gearbeitet hat, bis wir heim sind. Das war eine Fabrik, wo Zink- und Kupferblech hergestellt worden ist.

Unsere Mutter ist in dieser Zeit operiert worden, weil sie am Dickdarm ein Gewächs gehabt hat. Wir haben einen Arzt kennengelernt, ich weiß heute noch seinen Namen, Lembertski, der hat deutsch gesprochen. Er hat gesagt, sie soll gar nicht mehr heim gehen, vielleicht lebt sie morgen nicht mehr. In dem Krankenhaus, wo er angestellt war, hat er sie hingetan. Das war weit von uns. Die Operation ist aber gelungen. Sie hat nur eine Spritze gekriegt, daß sie unten tot war. Sie hat den Arzt gefragt, ob ihr Mann das entfernte Geschwür angucken darf. Mein Vater hat gesagt, wenn wir das gesehen hätten. Eins war so groß wie ein Schwartelmagen und um und dum die anderen wie Hühnereier und Gänseeier angelegt. Der Arzt hat zu ihm gesagt, wenn eins aufgebatscht wäre, hätten sie zunähen können und sie wäre gestorben. Nach sechs Wochen ist meine Mutter wieder arbeiten gegangen.

Am 8. April 1930 bin ich erst 15 Jahre alt geworden und am 23. August hab ich in Buenos Aires SELLNER Johann geheiratet, weil meine Mutter mich gezwungen hat. Sie hat große Ängste gehabt, es holt mich jemand anderer. Einer wollte mich unbedingt und er hat immer gesagt, ich soll mit ihm mitgehen. Er weiß, daß ich noch nicht heiraten darf. Aber er tut mich zu seiner Tante und dort soll ich bleiben bis ich alt genug bin, daß wir heiraten können. So oft hab ich schon gesagt, mit 15 Jahren bist du doch noch ein Kind! Sie haben die Schriften eingegeben zum heiraten, ohne daß ich es gewußt hab. Mein Vater wollte die Heirat nicht. Er hat immer zu meiner Mutter gesagt: "Du siehst doch, daß sie nicht will, laß sie doch einmal in Ruhe!" Weil wir anfangs bei meinen Eltern gewohnt haben, hat mein kleiner Bruder Peter zu meiner Mutter gesagt: "Hast du nicht Kinder genug, brauchst du den auch noch?" Da hab ich später zu meiner Mutter immer gesagt, der hatte mehr Verstand wie ihr.

Damals waren viele, die von zu Hause ausgerissen sind, wenn die Eltern nicht wollten, daß sie mit dem Jungen gehen. Da hat man niemanden suchen können. Buenos Aires war damals eine 8-Millionen-Stadt. Man hat sich dort auch nicht ummelden brauchen, wenn man umgezogen ist. Es waren viele draußen, wo sie gar nicht gewußt haben, daß sie dort sind. Wir sind auch vom Schiff ausgestiegen, ohne daß man sich irgendwo gemeldet hat. Kinder sind auf die Welt gekommen, die sie gar nicht angemeldet haben. So war das dort.

Nachdem ich geheiratet hab, bin ich in die Glasfabrik gegangen, wo mein Mann bereits gearbeitet hat. Ich hab dort an einer Maschine gearbeitet, die Muster in die Gläser eingraviert hat. Die Gläser sind in eine Säure gekommen, so daß sich das Muster hineingefressen hat. In dieser Glasfabrik waren auch zwei Männer von unserem Dorf, BUTSCHLER Anton und ZELLER Johann.

Von Neupanat waren außer diesen folgende Familien in Buenos Aires, an die ich mich erinnere:

Von den damals in Buenos Aires lebenden Familien aus Neupanat sind viele zurückgekommen. Die Sands und die Sellner sowie die Zeller und der Heinrich sind mit ihren Familien zurückgekommen. Die Reingruber und die Tropfenbaum sind geblieben, die sind nicht mehr gekommen.

Warum ist die Familie wieder zurück nach Neupanat? Wie gesagt, war mein Vater nicht gesund und er hat Ängste gehabt er stirbt dort und die restliche Familie geht dann doch zurück nach Neupanat. Außerdem hat meine Schwester Nanni einen jungen Mann kennengelernt, der von Sanktanna war, das war ja eine Nachbargemeinde von uns. Und meine andere Schwester Mariann hat auch schon einen kennengelernt, der von Jugoslawien war, aber auch ein Deutscher. Und dann ist es unserer Mutter gekommen, wenn wir da noch ein Jahr bleiben, gehen die nicht mehr mit nach Hause. Der Freund meiner Schwester Nanni hat sich Jakob Köhler geschrieben. Und da hat meine Mutter immer gesagt, sie darf den Köhler nicht heiraten, weil die Köhler sind alle schlecht. Und der Mariann ihrer hat Hans Schnitzer geheißen. Das hat sie alles kaputt gemacht.

Am 13. April 1934 sind wir mit dem deutschen Linienschiff "General San Martin" von Argentinien abgefahren und nach 26 Tagen in Hamburg angekommen. Von dort ging es weiter mit dem Zug über Berlin durch die Tschechei nach Prag. In Prag mußten wir 4 Stunden auf den Zug nach Rumänien warten. Durch Ungarn durfte damals niemand durchreisen. Wegen dem vielen Gepäck mußten wir uns in Arad ein Lastauto verschaffen. Dann ist mein Vater zu einem Wirt gegangen, der von uns früher Wein bezogen hat. Der Wirt hat zu ihm gesagt: "Der Mann, der dort am Tisch sitzt, hat einen Wagen." Für 500 Lei wollte der uns mit dem ganzen Gepäck bis Neupanat fahren. Mein Vater hat gesagt, er habe aber nur Dollar. Da saß auch zufällig ein Lehrer aus Neupanat und der bot an, die 500 Lei zu geben und wenn er umgetauscht habe es zurückzubringen. Und so sind wir mit dem Lastauto und unserem ganzen Gepäck naus und sind heim gefahren.

In Neupanat sind wir am 10. Mai 1934 angekommen. Das war Christi Himmelfahrt unser Wallfahrtstag. Wir haben gedacht, wenn wir vormittags ankommen, dann fahren wir mit nach Maria Radna und unser Vater soll mit dem Gepäck auf Neupanat fahren. Aber wir mußten ja so lange warten und es war schon Nachmittag als wir angekom-men sind. Da konnten wir nicht mehr auf die Wallfahrt mitgehen. Unsere Großmutter war zu Hause und auch mein Vater seine Mutter hat damals noch gelebt. Die alten Frauen haben immer bei Schmidt im Schatten beieinander gesessen. Und da haben sie zu meiner Großmutter gesagt: "Bel Nanni, enger Peter, guck mal dort auf dem Auto, dort sein sie!" Und sie ist dann auf und ist gekommen. Und wie wir die Gasse runtergefahren sind, hab ich gedacht, da sind lauter so kleine Zäune, so klein ist mir nämlich alles vorgekommen.

Wie war der Neuanfang in Neupanat? Unsere Großmutter hat in unserem Haus gewohnt und das Feld war verpachtet. Unser Taufpate hatte eine Vollmacht über unser Eigentum und sollte das ganze Feld um die Hälfte geben, damit wir Brot haben, wenn wir zurückkommen und wieder einen Anfang haben. Wir hätten uns sonst alles kaufen müssen. Wir haben uns dann ein Haus gekauft, wo wir gewohnt haben, außerdem ein Roß, einen Wagen, bis wir alles beieinander gehabt haben. Wir haben die Hälfte vom Ertrag bekommen so daß wir uns die Viehcher gekauft und auch zu essen gehabt haben. Und ich bin mit zu meinem Schwager, meinem Mann seiner Schwester in den Schnitt gegangen. Damals hat man ja noch alles mit den Händen machen müssen. Und meine Mutter hat gesagt: "Du gehst mit, du kannst doch dein Brot verdienen!" Dann bin ich mitgegangen für das Zusammenbinden und dann hat mein Schwager gesagt: "Na jetzt werden wir sehen, was das mit dere Amerikanerin gibt." Ich war die Hitze ja gewöhnt. Ich bin vom Sommer in den Sommer gefahren. Da waren sie alle krank von der großen Hitze, haben Wasser getrunken und sind dann alle matschig geworden. Dann hab ich alleine gemäht und gebunden. So hab ich meinen Schwager gefragt, na was ist jetzt mit dere Amerikanerin? Die darf jetzt alles machen und ihr liegt nebendran und tut rätze.

Mein Mann und ich haben uns das Haus in der Langkleinhäußler Gasse gekauft und sind dort im März 1935 eingezogen. Ich war noch so böse weil er das gekauft hat, weil es so teuer war und noch mit Stroh gedeckt. Auch waren Stellen wo es hereingeregnet hat und dafür über 40 000 Lei gegeben, das war damals viel Geld. Mein Vater wollte, daß wir auf den leeren Platz bauen, den sie gehabt haben. Für das Geld hätten wir dort ein neues Haus bauen können. Aber dann sind zu viele Verwandte beieinander, hat mein Mann gesagt

Nach unserer Rückkehr hat meine Mutter keine Ruhe gehabt, ich muß mich baurisch anziehen. Wenn ich den Tschop aufgesetzt hab, hat meine kleine Tochter Gretel immer geweint und gezeigt, das runter. Dann hab ich es runter getan und sie hat mich umarmt und gebusselt. Die Mutter hat unser ganzes Gewand verkauft, da wir von dem Stoff nichts baurisches machen lassen konnten. Bloß ich hab ein Kleid gehabt, das war aus grünem Stoff. Davon hat sie mir eine Bluse gemacht, so wie wir sie getragen haben. Das war alles. Da hab ich gesagt: "Jetzt hast du das ganze Kleid verschnitten und gar nichts ist rausgekommen."

Unsere Mutter war eine gelernte Schneiderin, obwohl sie es gar nicht nötig gehabt hätte. Ihr Vater, Jakob DIRB, hat Vermögen gehabt und war von Beruf Zimmermann. Er hat schön verdient und hat sich nicht gekümmert um sein Vermögen, hat immer Knechte gehabt und Lehrjungen, die bei ihm gelernt haben. Er ist nur wenn der Schnitt war mit aufs Feld gegangen und sonst das ganze Jahr nicht. Und dann hat sie halt alles machen dürfen, was ihr eingefallen ist. Deshalb ist sie gegangen und hat Schneiderin gelernt. Ich hab immer gesagt, daß das gut war. Denn wenn wir das alles hätten zahlen müssen, was wir brauchten, aber sie hat alles machen können.

Meine Eltern haben einen großen Fehler gemacht, ihr ganzes Vermögen hinzuschmeißen, um nach Amerika zu gehen. Die Reise hat damals 86 000 Lei gekostet und das haben sie vom Verkauf von Vieh und von Körnern bezahlt. 7 Schweine waren zu schlachten, eine Sau mit Junge das nächste Jahr, 5 Pferde im Stall, 2 Kühe und mehr. Wir haben am Berg einen Weingarten gehabt, da hat mein Vater bis 45 Hektoliter Wein jedes Jahr verkaufen können. Und dann haben wir noch daheim einen Weingarten gehabt. Wie kann man das alles hinschmeißen? Damals waren wir ja jung und dumm und waren froh, daß wir nach Amerika gehen. Aber als wir zurückgekommen sind, hab ich oft gesagt:

"Wie habt ihr das machen können? So ein Blödsinn das alles hinzuschmeißen."

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