Die meisten Einwohner von Neupanat waren in der Landwirtschaft tätig. Die selbständigen bäuerlichen Betriebe, bis zum Ende des II. Weltkrieges, waren vornehmlich Familien-, Klein- und Mittelbetriebe, die sich noch Äcker dazupachteten oder Halbscheidfelder übernahmen. Ferner verdienten diejenigen die wenig Feld besaßen, als Schnitter, Taglöhner, Drescher oder als Erntehelfer bei der Traubenlese ihren Lebensunterhalt.
Neben Anbau von Getreide, Kulturpflanzen, Hackfrüchte, Futterpflanzen betrieb der Neupanater Schwabe, Obst-, Wein- und Gemüsebau, Tierhaltung und Aufzucht. Außerdem war er Handwerker, wurde dann Industriearbeiter und erwarb in den letzten Jahrzehnten immer mehr intellektuelle Berufe.
Der landwirtschaftliche Arbeits- und Lebensrhythmus bestimmte den dörflichen Aspekt unseres Ortes, der Landwirt mußte sich seine Zeit ganz genau einteilen, um den Lohn seiner Arbeit, die Ernte, rechtzeitig einbringen zu können.
So gab es für jeden Tätigkeitsbereich Merksätze, die als Bauern- und Wetterregeln verbreitet waren.
Die Arbeitsregeln sagen dem Bauern, welche Arbeit er zu welchem Termin am günstigsten verrichtet. Die Wetterregeln stützen sich auf die Beobachtungen des einfachen Menschen und enthalten die sprachliche Formulierung einer jahrhundertealten Erfahrung. Wetterregeln antworten nicht auf die Frage, was zu tun ist, sondern zeigen an, was ist und was wahrscheinlich sein wird. Die meisten Wetterregeln enthalten einen wahren Kern, wenn es auch schwer oder unmöglich ist, das Phänomen wissenschaftlich zu erklären.
Eines der maßgebenden Wettervoraussagungen für das kommende Jahr richteten sich nach den Witterungsverhältnisse, der 12 darauffolgenden Tagen ab dem zweiten Weihnachtstag; so daß jeder Tag gültig für ein Monat war und dessen Stunden die Tage vom Monat. Gemäß den Überlieferungen und Aufzeichnungen unseres Großvaters, Vetter Franz Wentze (Reingruber, Jahrgang 1901), sah z.B. das Wetter für 1968 so aus:
Dienstag, 26. Dez. 1967 schön- für Jänner,
Mittwoch, 27. Dez. 1967 , in der früh Regen, nachher unfreundlich- für Feber,
Donnerstag, 28. Dez., in der früh Regen, unfreundlich nachmittags- für März,
Freitag, 29. Dez., in der früh Schneeregen nachher unfreundlich- für April,
Samstag, 30. Dez., schön, abends Regen- für Mai,
Sonntag, 31.Dez., geschneit den ganzen Tag, gegen Abend unfreundlich, bedeckt- für Juni,
Montag, 1.Jänner (Neu-Jahr) in der früh schön bis Mittag dann trüb bis 2 Uhr nachmittags, dann Regen- für Juli,
Dienstag, 2.Jänner, bis 9 Uhr trüb, Regen bis 11 Uhr, dann wieder trüb bis am Abend- für August,
Mittwoch, 3. Jänner, den ganzen Tag trüb und kalter Nordwind,- für September,
Donnerstag, 4. Jänner, von der früh bis 2 Uhr nachmittags trüb, dann schön- für Oktober,
Freitag, 5. Jänner, in der früh Schnee nachher trüb bis 2 Uhr nachmittags, dann schön- für November,
Samstag, 6. Jänner, in der Früh Schnee bis Mittag, nachher trüb bis 3 Uhr dann Regen- für Dezember.
Eine andere Jahreswettervorschau ist das Bestreuen, am zweiten Weihnachtstag, von 12 Zwiebelschalen mit Salz. So konnte man voraussagen, nachdem wie die einzelne Schale, weniger oder mehr feucht geworden ist, mit welchen Niederschlägen man zu rechnen hatte. Auch die Fechsung (Ernte) sagte man in Neupanat voraus und zwar anhand der Blüte vom "Zeigstock", welcher in vielen "Gärtle" vorhanden war. Die kolbenartige Blüte, beziehungsweise der Stempel, stellten den Maiskolben, die Gerste, den Weizen und das Weinfaß dar.
Je nachdem welches Teil ausgewachsener und ausgeprägter waren, dementsprechend fiel dann die jeweilige Ernte aus. Der Zeigstock musste ausgewachsen sein. Viel Obst gab es wenn man die Bäume schüttelte " beim Heimkehrläuten der Glocken von Rom", zur Osterzeit.
Eine gute Ernte versprach diese Regel:
Kalter Dezember und fruchtbar Jahr sind vereinigt immerdar.
Wenn es an Christmette (Hl. Abend) hell und klar war, so deutete dies auch auf ein fruchtbares Jahr hin. Hier hieß es:
Helli Mette - dunkli Scheier ( volle Scheunen ) oder
Viel Schnee - viel Heu . Und
Je tiefer der Schnee um so höher der Klee.
Ein schwaches Erntejahr deutete man so vor :
Wächst das Korn im Januar wird es auf dem Markte rar.
Der Einzug des Frühlings fand zur rechten Zeit statt wenn man sagen konnte:
Weihnachten im Schnee, Ostern im Klee.
Wenn das Wetter aber umgekehrt eintraf so bestätigte diese Regel, daß zu Ostern noch Schnee lag und somit kam der Frühling später.
Ein nicht so verbreiteter Brauch oder Regel war das Schneiden von Barbarazweige. Am 4. Dez, an Barbara, stellte man Weichsel- oder Kirschzweige ins Wasser, blühten diese zu Weihnachten so hatte man Glück im kommenden Jahr, in allen Bereichen also auch was die kommende Ernte betrifft.
Eine besondere Aufmerksamkeit gaben unsere Neupanater den Haustieren; denn neben Milch, Eier, Fleisch und Federn für den eigenen Verbrauch mußte dieser Zweig der Wirtschaft das nötige Hausgeld einbringen "far Reibhelzl, Germ, Eel un anri Klaanichkeite". Die Lage sah gut aus sobald:
Die weiße Gans im Februar brütet, Segen fürs ganze Jahr bedeutet. Oder
Gibt's an Aschermittwoch viel Stern dann legen die Hennen gern.
Gli"ck mit Schweindl" hatte man wenn diese allererst von einem Mannsbild besichtigt wurden, der aber nicht dem Haus angehörte. Um so besser war es, wenn man feststellen konnte daß " sie Leis hänn" was bedeuten sollte " die fresse gut un' so werre sie aa was".
Das Gegenteil:
Wenig Milch und wenig Mist gibt die Kuh die wenig frißt. Um Glück mit seiner frischmelkiger Kuh zu haben pflegte man dem Nachbarn "a Topp Millich" zu schenken. Von der älteren Generation hörte man auch oft sagen: Das Vieh ist wie der Stall oder anders ausgedrückt: "So wie dr Herr-so's Gscherr."
Die meisten Wetterregel waren und sind gültig nur für Neupanat, also regional begrenzt.
So z. Beispiel:
Bloßt de Wind vun de Maarasch oder hat die Bahn grauscht so gibt's Rege.
Sigt mer s'Gebirich aarich nochet gibt's Rege.
Kummt de Rege vun Villagisch (Hellburg) halt'dr lang aan,
Is de Himmel rot gibt's Wind. Und Nordwind im Mai bringt Trockenheit herbei.
Zusammengefasst lautet es: Süd bringt Regen, Nordwind Dürre danach richte dein Geschirre. Schönes Wetter erhoffte man sich, wenn der Wind der Sonne folgt so bleibt das Wetter tagelang gut.
Regen kündigt sich noch so in Neupanat an:
Wann die Wolke laafe, brauch mer de Rege nit kaafe, wann die Sunn stecht, wann die Sunn in de Sack schluppt un wann die Sunn Wasser ziegt, wann's Salz feicht is, die Umaaze schaareweis rumlaafe, wann die Hinkl sich im Staab phudle, oder die Spatze sich bade, wann die Speckschwart tropst un waach is, wann die Fliege aarich gstoch hänn, die Schwalme tief in de Gass un Hef fliege, wann de Esel blirrt un wann's Wasser in de Entelack aarich gstunk hat. Bleiwe die Tauwe un's anri Gfligl im Rege, so halt`dr lang aan. Reget's awer uff Karfreitag so reget's ganzi Jahr uff a Staan. Reget's an Maria Haamsuchung (2. Juli) no reget's 40 täglang. Rege gibt's noch wann de Mond a Hof hat un Reget's var de Mess so is die ganz Woch nit vergess.
Aber: Nicht jedes Froschgeschrei zieht Regen herbei.
Schwarze Wolken und weiße darüber kündigt "Schloße" an. Regen zur rechten Zeit, ist den Bauern willkommen. Zu der positiven Einschätzung der Naturkräfte gesellt sich oft ein ironischer Zug des Volkscharakters, wie z. Beispiel:
Frühregen und frühe Gäste bleiben selten über Nacht oder de Marjetsrege un de Altweiwertanz halde nit lang.
Zusammenhänge zwischen Witterung, Wetterregeln, Gedeihen und schlechten Ernten erkennt man in:
Fruher Dunner spoder Hunger
Spoder Dunner fruher Hunger.
In das Kapitel bäuerlichen Spruchweisheiten lassen sich auch Redensarten einreihen, ohne daß sie festgefügten Regeln geworden wären:
"Je dicker die Eiszapfen im Februar sind desto größer und schöner werden die Maiskolben." Bedingung aber, "S' soll an unsre Kirweih regne. (Hl. Ignatius, 31. Juli). Reget's an de Glogowitzer Kirweih (16. Mai) no gibt's scheener Klee".
Das in vielen schwäbischen Orten bekannte: "Maria Lichtmeß, spinne vergess, am Tag zu Nacht gess" war auch in Neupanat geläufig, als die Tage immer länger wurden, das Spinnen langsam ein Ende nahm weil allmählich Feldarbeiten aufgenommen werden mussten.
Aber:
"Hat de Dachs sein Schatte uff den Tag gsehn so hat halt de Winter noch sechs Woche
gedauert "oder"es hat gstirmt un gschneipt so war s "Fruhjahr nit mehr weit".
Hundertprozentige Sicherheit gewährleistete diese Aussage:
Auf dieses kannst du zählen zu jeder Zeit daß es am 30. Februar nicht schneit.
Schönes Frühjahrswetter traf ein wenn man sagen konnte:
An Kunigund (3. März) muß uffgehn de Grund .
Und: Warmer Aprilregen, großer Segen.
Andere Erfahrungen im Laufe des Jahres:
Der April macht was er will. Wann de Newl runner fallt gibt`s schenes Wetter geht`dr awer nuff gibt`s in 1-3 Täg Rege.
Wann's im Mai oft newlich is gibt's ke Frucht- sie werd roschtich. Wann die Lerchle ,an aam scheene Maitag viel singe ,so miße sie sich Marje versteckle weil's kummt Rege.
Is de Juni naß gibt's viel Wicke - so is schwer `s Abmache. Des Juli warmer Sonnenschein macht die Früchte reif und fein. August soll sein ein Augentroscht macht zeitig Kukruz und Moscht.
Flogen die Zugvögel früher als gewöhnlich Richtung Süden kündigte sich ein früher Winter an. Flogen sie Richtung Norden war das Frühjahr da oder es blieb noch länger warm.
Man sagte:
An Maria Geburt (8. Sept.) fliege die Schwalme un Sturke furt. An Maria Naam' kumme die Sturke un Schwalme widrem Haam.
Ein schöner, langer und warmer Herbst traf ein wenn im Spätsommer einige Obst- oder Akkazienbäume zum zweiten mal blühten oder eine Gans nochmals legte und brütete.
Septemberwetter warm und klar verheißt ein gutes nächstes Jahr. Regnet`s am Michaeltag (29.Sept.) sanft der Winter werden mag.
Oktoberhimmel voller Sterne hat warme Öfen gerne.
Fliegen im November noch Sommerfäden, wirst du lang nicht vom Frühling reden.
Bringt das Christkind Kält und Schnee drängt das Winterkorn in die Höh`.
Unter den zahlreichen Bauern- und Wetterregeln findet man einige die sich auf den Weinbau beziehen. Schließlich hatten unsere Vorfahren auch sehr viele Weingärten: uf de Wiese, Hießichi Weingärte, Munderloch, Villagisch, Kovesintz un uff'm Glogewitzer-Hotter. Die ersten wichtigen Arbeiten im Weingarten sind das Aufdecken und das Schneiden der Reben. An Josefi (19. März) ruft der Weingarten "Weck mich !" und an Wendelin (20. Okt.): "Deck mich!" Der Märztag, an dem der Weingarten aufgedeckt wird, soll sonnig oder wenigstens hell sein genauso wie beim Weinabziehen. Eine Arbeitsregel lautet, daß man nicht zu viele Augen auf dem Holz stehen lassen darf, damit der Rebstock nicht überfordert werde und gesunde Trauben bringe, die auch ausreifen können. Dann hat der Weingarten ein langes Leben.
Man sagt:
So viel Buschel Rewe mer im Fruhjahr schneidt so viel Ämber Wein gebt's im Spodjahr.
Der Mai, der Monat des üppigen Wachstums soll kühl und feucht sein: Mai kühl un naß, fillt am Bauer Scheier un Faß.
Ein Gewitter im Mai singt der Bauer juchhei!
Auf den Mairegen folgt nicht selten ein prächtiger Himmelsring (Regenbogen). Unsere Dorfbewohner beobachteten diese Naturerscheinung aufmerksam und deuteten was sie dabei feststellten:
Selle Straaf vum Himmelsring, der was am breetschte is, vun dem gibt's am meischte in dem Jahr.
Geel zeigt viel Frucht un Kukruz an, rot viel Wein, bloo viel Heu.
Nachdem die Eismänner und Urban, mit oder ohne Schaden anzurichten, vorbei sind - Ende Mai, Anfang Juni blühen die Reben - beginnt das Spritzen der Rebstöcke gegen Krankheiten und Schädlinge. Die Auforderung an den Juli lautet:
Nur in der Juliglut wird Obst und Wein so gut.
Für die Rebe steigt die Temperatur nie zu hoch:
Dem Weinstock den Bohnen und dem Mais wird es nie zu heiß. Weil de Kukruz muß aa in de Hose schwitze.
Bei gehöriger Hitze müssen auch tüchtige Sonnengewitter niedergehen. Die schaden nicht, sobald sie keinen Hagelschlag bringen. Ein tüchtig Juligewitter ist gut für Winzer und Schnitter.
Aber:
Maienstaub und Augustkot bringen ein teures Brot.
Mit dem September geht es der Weinlese entgegen. Im Herbst zeigt sich, was die anderen Monate gebracht haben:
Was de Summer nit am Wein hat gschafft, far des hat de September aa ke Kraft.
War der September günstig und konnte man die Lese hinausschieben, so sind dem Winzer alle Wünsche erfüllt worden. Die erste Kostprobe von der Ernte liefert der Most. In kurzer Zeit wird er zum "Neiie Wein" oder " Rampasch", vor dem man sich zu hüten weiß. Den Besucher wird Diesjähriger angeboten zum Trinken, und der Hausherr ist froh, wenn sein Wein Anerkennung findet, denn:
Rebensaft macht Bruderschaft.
Nach altem Volksglauben der Wachstumgeist weckt und Unwetterschäden von den Feldern fern halten soll fanden Flurumzüge und Prozessionen statt. So ging alljährlich bis Ende 1945 die Prozession am Markustag, den 25. April, ans Kurz-Äcker- am Ostermontag ans Emmaus-Kreuz und am 1. Mai bis zum Wiesen-Kreuz "wann die Frucht so groß war daß sich a Krack drinn versteckle hat kenne." Auch in der Nachkriegszeit wurde noch die "Frucht" am Kreuz vor und bis 1989 in der Kirche gewichen. Nach der Weihe nahm sich ein jeder Anwesende "a Handvoll far's Viech mit Haam". Als ein Volk von fleißigen Bauern wußten unsere Landsleute, wie nötig der von oben geleitete Segen für die Früchte ihrer Arbeit war, so sie beteten bei den Bittprozessionen um den nötigen Regen, Verschohnung von Sturm, Blitz und Hagelschlag. Arbeiten und beten war ihre Losung. Den Spruch:
"Mit Gott fang an, mit Gott hör auf das ist der beste Lebenslauf"
kannte man in vielen Häusern.
Diese kurze Zusammenfassung kann nur einen kleinen Teil unseres Sprachgebrauches wiedergeben, aber es ist doch ein Bild von den Gepflogenheiten, die die Originalität der Neupanater wiederspiegelt. Ob die Regeln stimmen oder nicht, allein schon als Zeugnisse bäuerlicher Denkweise sind sie wichtig genug, um aufgezeichnet zu werden, die man noch im Gedächtnis hatte, und stellen zudem schöne Denkmale der sprachlichen Formkraft unseren Neupanater dar.